Swank Rally di Sardegna: Der Geist von Paris-Dakar
Fünf Tage lang auf zwei reichlich gebrauchten Enduros von Mailand nach Sardinien dem Geist der Paris-Dakar nachjagen: Reisebericht von der nostalgischsten Rallye Europas.
Fünf Tage lang auf zwei reichlich gebrauchten Enduros von Mailand nach Sardinien dem Geist der Paris-Dakar nachjagen: Reisebericht von der nostalgischsten Rallye Europas.
Ich fühle mich wackelig auf den Beinen und schlurfe auf der Suche nach Kaffee und Inspiration den Steg der Fähre entlang. Das Tyrrhenische Meer wird im Herbst stürmisch und während die MS Roma, ein Berg von einem Schiff, von einer Seite zur anderen schwankt und ein weißes, schaumiges Kielwasser im turbulenten blauen Wasser hinterlässt, frage ich mich ständig, ob unsere Motorräder unten auf den Decks gut genug gesichert sind. Lennart ist in seine eigene Welt vertieft und sieht sich Videomaterial an, das wir bei der Swank Rally di Sardegna gedreht haben, einer fünftägigen Rallye, von der wir gerade kommen. Ich muss meine Seetauglichkeit erst noch trainieren. Rastlos – der Post-Rallye-Blues setzt mit voller Wucht ein – höre ich zu, wie sich die Fähre in Richtung Barcelona knarrend und ächzend langsam über die unruhige See nach Westen bewegt.
Wir haben Sardinien, die Insel der Piraten und Dichter, erst vor fünf Stunden verlassen. Und vor nur fünf Tagen standen wir an der Startlinie der Swank Rally di Sardegna, einem Rennen, das uns von Mailand nach Genua und von Porto Torres nach Arborea geführt hat – eine Odyssee aus staubigen Feldwegen, Roadbook-Navigation, Offroad-Routen und Rallye-Biwak-Kameradschaft, die Lennart und ich schon jetzt schmerzlich vermissen. Die Swank Rally di Sardegna war unser Job: Während wir mit unseren alten Möhren um die Welt fahren, nehmen wir an Motorradtouren, Rallyes und Offroad-Trainings teil, um neue Reiseziele und Events auf zwei Rädern zu erkunden, zu fotografieren und zu filmen. Diesmal waren wir eingeladen, in der Swank-Experience-Klasse mitzufahren, die Endurofahrern einen Vorgeschmack auf den Rallyesport geben soll.
Unser erstes Rodeo war das nicht. Lennart und ich haben bereits mehrere Rallyes in Europa absolviert, die siebentägige Hellas Rally Raid etwa und die Dinaric Rally. Dennoch war von Anfang an klar, dass die Swank Rally di Sardegna etwas ganz Spezielles ist. Als wir auf der weltberühmten Malpensa-Motocross-Strecke in Mailand für den Prolog und die erste Teilstrecke ankamen, wurden uns schnell zwei Dinge klar: Erstens war dieses Rennen kein Spaziergang – die erste Teilstrecke auf der Motocross-Strecke erschien sowohl furchterregend als auch einschüchternd, mit enorm steilen Anstiegen und knietiefem Schlamm. Zweitens waren wir im Begriff, etwas zu erleben, was keine andere moderne Rallye bieten kann: den Geist der ursprünglichen Rallye Paris-Dakar.
Die Swank Rally di Sardegna geht in vielen Parallelen zurück auf den Dakar-Stil: Organisiert von Renato Zocchi, einem legendären italienischen Motorradfahrer, der in den 1980er Jahren bei der Paris-Dakar dabei war, die Pharao-Rallye gewonnen hat und später Motocross-Weltmeister wurde und Gewinner des Gibraltar-Rennens. Schon 1985 gab es die Sardinien-Rallye als Qualifikationsrennen für die Paris-Dakar. 2018 hat sich Renato mit Deus Ex Machina zusammengetan, einem in den Niederlanden ansässigen Custom-Motorradbauer, um die Swank Rally di Sardegna im neuen Stil neu zu erfinden. Das Ergebnis? Eine Rallye mit zweihundert Fahrern auf Vintage-, Classic- und Custom-Motorrädern, alten und neuen Reise-Enduros, alten und neuen Cross-Maschinen, Rallye-Replikas und so ziemlich allem möglichen dazwischen und drumherum. Von alten Cagiva Elephants und Yamaha Ténénés bis hin zu maximal individualisierten, neuen Ténéné 700, BMW HP2 und allen möglichen Scramblern – das Swank-Biwak in Mailand glich einem Festival der Klassiker, der Extravaganz und des Außergewöhnlichen. Während wir unsere Augen an den verrücktesten Motorrad-Setups weideten, fühlten wir uns mit unseren dreckigen, staub- und schlammbedeckten KLR650 und DR650 wie zu Hause – nicht gerade klassisch oder vintage, aber ganz im Sinne von Swank.
Nachdem wir unsere Startnummern erhalten und die erste Teilstrecke des Rennens unbeschadet überstanden hatten (das ist mir immer noch ein Rätsel), machten Lennart und ich uns auf den Weg, um uns vor dem ersten Tag auszuruhen. Die 280 Kilometer lange Etappe von Mailand nach Genua stand an. Während der ersten Teilstrecke des Rennens und der anschließenden Biwak-Party wurde uns klar, dass wir uns inmitten von Fahrern befanden, die es in sich hatten. Wir befanden uns aber auch inmitten von alten Paris-Dakar-Legenden, Enduro-Weltmeistern und Gewinnern des Africa Eco Race: Franco Picco auf einer Tenere 700, Alessandro Botturi auf seiner KTM 450 und Renato Zocchi selbst auf der Honda Africa Twin auf der Veranstalterseite. "Die Essenz der Swank Rally di Sardegna ist ihr Geist," sagte Renato. “In den alten Paris-Dakar-Tagen konntest du, selbst wenn du ein völlig unbekannter Fahrer warst, absolut gleichberechtigt neben Gaston Rahier oder Cyril Neveu am Start stehen. Das ist es, was ich hier bei Swank Sardinia hinbekommen möchte. Wir fahren alle zusammen, wir reparieren Motorräder zusammen, wir ruhen uns zusammen aus, wir feiern zusammen, und dann legen wir noch ein paar Kilometer zusammen zurück, egal ob du ein Weltmeister, ein Dakar-Veteran oder ein Amateur bist. Das ist für mich das, worum es bei dieser Rallye geht.”
Und er lag goldrichtig. Als wir am ersten Tages gestartet sind, waren wir gleichermaßen aufgeregt und verängstigt (so sehr, dass ich es sogar geschafft habe, auf einem Weg falsch abzubiegen und mein Motorrad in einen Graben zu befördern, bevor wir es am Morgen überhaupt an den offiziellen Start geschafft haben). Das Adrenalin war in die Höhe geschossen. Unsere abgefahrenen Reifen boten auf den rutschigen Waldwegen nur wenig Grip. Wir haben beide sofort vom Rennmodus überkommen lassen, haben Vollgas gegeben und sind den schnelleren Fahrern auf der ersten Etappe der Rallye nachgejagt. Aber als wir auf den gewundenen Schotterstraßen und sandigen Wegen durch die italienische Landschaft fuhren, wurde uns bald klar, dass dies ein ganz anderes Rennen war.
Zum einen schienen alle das Tempo der Rallye locker zu nehmen: Unabhängig von der Geschwindigkeit und unabhängig davon, wer wen überholte, lächelten die Fahrer einander zu und riefen "ciao", als ob sie – statt ein Rennen zu fahren – einen gemütlichen Spaziergang auf dem Lande machen. Die in den klassischen Lucky-Strike-Farben gekleideten Cagiva-Fahrer schienen mühelos und in halsbrecherischem Tempo über die Strecken zu gleiten und unterhielten sich dabei fröhlich miteinander. Die Fahrer auf speziell angefertigten Scramblern, die im Stil der 80er-Jahre für Bergrennen ausgerüstet waren, stürmten mit so viel Elan und Leichtigkeit voran, als wäre es ein lockerer Ausflug mit Freunden. Sogar die professionellen Fahrer auf echten Rennmaschinen hielten an, um die Aussicht zu genießen und unterwegs eine Tasse Espresso zu trinken. Mit der Zeit wurde uns klar, dass es bei der Swank nicht um die besten Herstellerteams oder Höchstgeschwindigkeiten ging. Das Tempo war ohne Zweifel hoch, aber die Einstellung war die eines Gentleman's Ride, und niemand nahm sich selbst zu ernst. "Namaste, motherfuckers," grinste Nelson, ein Franzose auf einer wunderschön restaurierten BMW HP 2, und brachte für uns damit die Swank-Stimmung perfekt auf den Punkt. Im Hafen von Genua sind wir die Fähre nach Sardinien – ich bekomme immer noch Gänsehaut, wenn ich mich an das Dröhnen von zweihundert Motorradmotoren erinnere, die zusammen in den Bauch des Schiffes rollten – und kamen am Morgen in Porto Torres auf Sardinien an, bereit für die zweite Etappe der Rallye.
In den nächsten drei Tagen fuhren wir von Porto Torres nach Arborea und durchquerten dabei die atemberaubende Landschaft Sardiniens. Die Berge, Schluchten und trockenen Flussbetten der Insel waren der perfekte Spielplatz für eine Rallye, und die weißen Sandstrände und das türkisblaue Wasser des Tyrrhenischen Meeres ließen uns an die sanfte Brise der afrikanischen Küste denken. Jeden Tag legten wir rund 300 Kilometer auf felsigen Bergpfaden, staubigen Schotterstraßen und dunklen Waldwegen zurück, die von kleinen Bächen und Schafspfaden durchzogen waren. Verlassene Minen, Bergblicke und malerische kleine Fischerdörfer säumten die Landschaft, und als sich die Rallye ihrem Ende näherte, war es schon beschlossene Sache, dass wir nächstes Jahr wieder kommen.
"Ich denke, was diese Rallye so besonders macht, ist die Gemeinschaft. Jeder ist so freundlich und so glücklich, sich gegenseitig zu helfen und anzufeuern, das ist wirklich außergewöhnlich,” sagte Sebastiaan, ein niederländisch-amerikanischer Fahrer auf einer maßgeschneiderten Husqvarna 701, im Ziel der Rallye. “Es spielt keine Rolle, wer du bist – ein kompletter Neuling, ein Profi, ein Dakar-Veteran oder jemand wie ich, ein Enduro-Fahrer, der sich zum ersten Mal an einer Rallye versucht. Es sind einfach Leute, die das Fahren lieben, und es fühlt sich wirklich cool und einzigartig an."
Für uns ist es genau das, was die Swank Rally di Sardegna zu einem unvergesslichen Ereignis gemacht hat. Ein verrücktes Langstrecken-Querfeldeinrennen ohne jedes hässliche Konkurrenzverhalten, ein Treffen von außergewöhnlichen Menschen, die vereint sind in einem farbenfrohen Festival der verrücktesten Motorräder, die man sich vorstellen kann: Swank hat unsere schönsten Fantasien übertroffen. Man stelle sich eine bunte Bande vor aus zerlumpten, extravaganten Außenseitern, Gentlemen der alten Schule, Glücksrittern, Paris-Dakar-Legenden, aktuellen Rallye-Stars, Enduro-Verrückten, Custom-Bike-Enthusiasten und allen möglichen Abenteurern. Dann setze man sie auf eine der landschaftlich reizvollsten Inseln Italiens, gebe ihnen Roadbooks und eine Tankfüllung, lasse sie los und schenke ihnen an der Ziellinie einen Cocktail ein: Das ist in etwa das Rezept der Swank Rally di Sardegna. Als sich unsere treue MS Roma in beängstigenden Winkeln zu neigen und zu heben beginnt, getrieben von den gewaltigen rollenden Wellen, gebe ich meine Suche nach Koffein auf und frage stattdessen nach einem Aperol Spritz. Wenn mich Swank eines gelehrt hat, dann ist es, die Dinge nicht so ernst zu nehmen, angesichts einer Herausforderung zu lachen, es ehrlich anzugehen und nie zu vergessen, dass man nie sicher sein, ob es wirklich noch ein Morgen gibt. Fahr los, stürz dich ins Abenteuer, stell dich dem Unbekannten – und vergiss dabei nicht zu lächeln und "ciao" zu sagen.
Die Swank Rally di Sardegna zieht zwar viele Dakar-Veteranen und Profis an, richtet sich aber auch an absolute Rallye-Neulinge und Enduristen. Wenn du seit mindestens zwei Jahren im Gelände fährst, dich auf Schotter, felsigen Wegen, etwas Sand und schmalen Pfaden wohlfühlst und eine Enduro, Reise-Enduro oder Scrambler-Motorrad besitzt, kannst du dich für die Swank Rally di Sardegna anmelden und es ausprobieren. Schwierigkeit der Routen: Die Swank Rally di Sardegna führt größtenteils über festgefahrene Schotterstraßen, Schotterwege, einige Sandpisten und einige einspurige Waldwege. Dazwischen gibt es ein paar technischere Abschnitte wie starke Steigungen und Abfahrten und felsige Pfade. Generell sind das Gelände und die Strecken jedoch nicht sehr schwierig. Da es in der Swank-Experience-Klasse keine Zeitmessung gibt, kannst du die schwierigeren Abschnitte in deinem eigenen Tempo bewältigen – du wirst nach der Navigationspräzision und nicht nach der Geschwindigkeit eingestuft. Erfahrung: Du kannst an der Swank Rally di Sardegna teilnehmen, wenn du seit mindestens zwei Jahren im Gelände fährst und dich im Gelände wohl fühlst. Du musst kein Romaniacs- oder Dakar-Fahrer sein, aber du solltest einigermaßen erfahren sein, um lange Strecken im Gelände zu bewältigen. Geeignete Motorräder: Du kannst an der Swank Rally di Sardegna mit allen Motorrädern zwischen 250 und 1200 ccm teilnehmen. Wenn du ein Motorrad besitzt, das vor 1999 hergestellt wurde, kannst du in der Klasse der Vintage Motorräder teilnehmen. Enduros, schwere BWW GS 1200, Africa Twins, Yamaha Ténéré 700 und Husqvarna 701 sind bei der Rallye sehr beliebt, aber du kannst auch auf kleineren Motorrädern oder mittelgroßen Enduros fahren: Es gibt keine Einschränkungen. Distanzen: Rechne damit, jeden Tag 250-350 km zurückzulegen, je nachdem, welche Klasse du wählst. Navigation: Die Fahrer dürfen entweder nach Roadbook oder GPS navigieren. Logistik: Das Biwak (Lager) der Swank Rally di Sardegna zieht jeden Tag um. Die Lastwagen der Organisation transportieren dein Gepäck und Werkzeug von Biwak zu Biwak. Unterkunft: Während der gesamten Rallye sind die Teilnehmer in Hotels untergebracht. Anmeldung: Alle Informationen im Detail und die Möglichkeit, deine Teilnahme an der Swank Rally di Sardegna direkt zu buchen findest du hier....